Die Erklärung von Organismen
Im 18. Jahrhundert standen sich als vorherrschende Erklärungsweisen organisierter Wesen die Präformationstheorie (damals auch »Evolutionslehre« genannt) sowie die Epigenesistheorie gegenüber. Kant umreißt beide Theorien in seiner Beweisgrund-Schrift.
Die Präformationstheorie sieht Organismen als von Gott geplant und dessen Bauplan jeweils als im Keim enthalten an – entweder im männlichen Samen oder im weiblichen Ei. Demnach ist jedes Wesen übernatürlichen Ursprungs und entfaltet sich als Edukt aus bereits präformierten Anlagen, im Einklang mit einer mechanistischen Natur.
Die Epigenesistheorie beschreibt Organismen nicht als vollständig präformiert, sondern mit einem für uns unbegreiflichen Vermögen ausgestattet, sich als Produkte selbst zu erzeugen. Anders als die Präformationstheorie hatte diese Erklärungsart kein Problem mit z. B. Bastarden oder sich selbst regenerierenden Polypen.
Dafür hat sie ihre eigenen Schwierigkeiten. Frühe Vertreter der Epigenesistheorie interpretierten das unbegreifliche Vermögen noch mechanisch und verglichen es als eine Art Lebenskraft mit Newtons Schwerkraft. Blumenbach war es dann, der mit dem »Bildungstrieb« eine deutlicher vitalistische Lesart der Epigenesislehre einführte. Der Vitalismus behauptet jedoch letztlich Dinge, die wir kraft unserer Sinne nicht nachweisen können.
Kant positioniert sich gegen die Idee der Präformation. Er bezeichnet Organismen klar als Produkte. Seine Definition derselben anhand von Fortpflanzung, Wachstum und Selbsterhaltung erinnert an Blumenbachs Bestimmung des Bildungstriebs durch Generation, Nutrition und Reproduktion. Dennoch behauptet Kant einen Bildungstrieb nicht als real gegeben. Ihm geht es – in erkenntniskritischer Wachsamkeit – um die Annahme eines bloß regulativen Prinzips.
↪ Die KdtU entstammt weniger einer Auseinandersetzung mit einer bestimmten Philosophie, als mit den Strömungen der damals aufkommenden Biologie. Wie schon im Streit zwischen Rationalismus und Empirismus schlägt sich Kant auf keine der bekannten Seiten, sondern bezieht auch hier eine eigene, originelle Position, aus der heraus er seine Zwecklehre darlegt.
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EvO
- 18. Jh
- Präformation
- Epigenesis
- Vitalismus
- Kant
- KdtU