Verhältnis zu Theologie und Mechanismus
Kant nennt den Versuch der Vernunft, von den nur empirisch erkannten Zwecken der Natur auf rationalistische Weise auf eine oberste Ursache und deren Eigenschaften zu schließen, eine Physikotheologie. Mit einer solchen Theologie sei eine Teleologie nicht zu vermengen (§68), aus drei Gründen:
(1) Es ist ein Zirkelschluss, wenn man Gott einführt, um die Zweckmäßigkeit in der Natur zu erklären, und dann die Zweckmäßigkeit braucht, um die Existenz Gottes zu beweisen.
(2) Naturdinge und Naturganzes können nach bekannten Erfahrungsgesetzen (inkl. die der Zwecke, die Gesetzlichkeit des Zufälligen) erklärt werden. Eine Berufung auf Gott ist gemäß Ockhams Rasiermesser gar nicht nötig.
(3) Zwar spricht man in der Teleologie von der Natur wie von einem absichtlich agierenden Wesen, das sparsam, weise, wohltätig sei wie ein Mensch oder Gott. Doch diese Redeweise beruht nur auf einer Ähnlichkeit zum uns bekannten Vernunftgebrauch (»als ob«).
In der Dialektik geht es Kant anschließend darum, die Teleologie als eigenständige Wissenschaft neben theoretischer und praktischer Philosophie zu begründen und seine teleologische Auffassung von Organismen mit einer mechanistischen Auffassung der Natur in Einklang zu bringen. Die mechanische Unerklärlichkeit von Organismen für den Menschen mündet, so Kant, in einer Antinomie der Urteilskraft.
Die Antinomie lautet, vereinfacht gefasst: (1) Die Erzeugung aller materiellen Dinge ist nach bloß mechanischen Gesetzen möglich, und (2) die Erzeugung einiger materieller Dinge ist es nicht. Heißt: Einerseits müssen wir im Zuge unserer empirischen Naturforschung versuchen, alles nach mechanischen Gesetzen zu erklären. Andererseits widersetzen sich einige Dinge in der Natur der mechanischen Erklärung und es braucht die Teleologie, um sie zu verstehen (§70).
Kants Auflösung der Antinomie ist umstritten. Zum Teil betont er auch in der Dialektik, dass es sich bei dem teleologischen Prinzip (nur) um ein regulatives handelt, kein konstitutives, womit die Teleologie einer heuristischen Als-ob-Einstellung entspricht. Ebenso verweist er auf die Eigentümlichkeit des menschlichen Verstandes, indem er den menschlichen, diskursiven Verstand einem möglichen, intuitiven Verstand gegenüberstellt.
In einer berühmten Passage schreibt Kant, es sei ungereimt zu hoffen, dass es noch einen Newton geben werde, »der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen« erklären könne, die nicht durch Absicht geordnet seien. Dazu sei der menschliche Verstand schlicht nicht imstande (§75).
↪ Letztlich wird die Antinomie als bloß scheinbarer Widerspruch aufgelöst. Kants Argumentation dazu ist so kompliziert wie kontrovers und kann hier nicht im Detail nachgezeichnet werden. Wichtig ist, dass seine Dialektik und Methodenlehre auf die Idee des Menschen als Endzweck der Natur hinauslaufen, sowie auf eine Ethikotheologie. So nennt Kant den Versuch, von dem moralischen Zweck vernünftiger Wesen in der Natur (der a priori erkannt werden kann) auf eine oberste Ursache und deren Eigenschaften zu schließen. Wie Kant selbst dies versucht, sei abschließend kurz dargelegt.
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Vgl. [Kant’s Aesthetics and Teleology (Stanford Encyclopedia of Philosophy)](https://plato.stanford.edu/entries/kant-aesthetics/)